Der Heilungsprozess im Baskenland wird schwierig

Published in Zeit Online, October 21, 2011.

Eigentlich gibt es in Spanien derzeit wenig Grund zur Freude, weder für die Bevölkerung noch für die Regierung. Doch am Donnerstagabend machte ausgerechnet die baskische Terrororganisation Eta beiden ein Geschenk: Sie entsagte ganz offiziell der Gewalt . Nach fast einem halben Jahrhundert des Terrors und mehr als 800 Toten soll der Schrecken im Baskenland vorüber sein.

Überraschend kam die Erklärung nicht. Schon am Montag war eine Friedenskonferenz in San Sebastián mit der Forderung der internationalen und baskischen Teilnehmer zu Ende gegangen, die Eta solle sich offen zu Frieden und Dialog bekennen. Das war ein unmissverständliches Zeichen: Die Organisation ist geschwächt und politisch so isoliert wie nie zuvor.

Trotzdem polarisiert die Erklärung der Eta einen Monat vor den spanischen Parlamentswahlen am 20. November die politische Klasse. Sowohl der amtierende sozialistische Premierminister José Luis Zapatero, als auch der wahrscheinliche Gewinner der Wahlen, der Konservative Mariano Rajoy, gaben sich betont zurückhaltend optimistisch. Denn dieser taktische Sieg wird der sozialistischen PSOE vermutlich nicht mehr zum Wahlerfolg verhelfen. Und Rajoy sieht die Stärken seiner Partei nicht mehr im Kampf gegen den Terrorismus wie einst sein politischer Ziehvater José Aznar, sondern in der Wirtschaftspolitik.

Doch innerhalb der konservativen Partei und der konservativen Presse wurde laut Kritik geäußert: Die "Beendigung aller bewaffneten Tätigkeit" sei nach dem schon im Januar erklärten "ständigen Waffenstillstand" nur ein semantischer Schritt. Außerdem sei die Eta nicht reumütig und habe sich auch nicht bei den Familien der Opfer entschuldigt, heißt es. Das stimmt: Von einer endgültigen Auflösung der Eta oder von einer Übergabe der Waffen ist bislang nicht die Rede. 

Doch es ist fraglich, inwieweit die Eta noch handlungsfähig ist. Ihr militärischer Arm ist in den vergangenen Jahren durch massiven Druck der spanischen und französischen Polizei stark geschwächt worden. Auch hat die Organisation die Unterstützung ihrer wichtigsten politischen Verbündeten verloren, der linksseparatistischen Izquierda Abertzale, und auch den Rückhalt der Bevölkerung im Baskenland selbst.

Die Izquierda Abertzale ist der eigentliche Auslöser und Sieger dieser Erklärung. Um demokratische Legitimität zu gewinnen hatte sie vor einem Jahr den sogenannten Pakt von Gernika ausgearbeitet, in dem eine friedliche Lösung des Konflikts gefordert wird. Sie war es auch, die die Friedenskonferenz am 17. Oktober angestoßen hatte, bei der unter anderem der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan, der frühere irische Premierminister Bertie Ahernund Gerry Adams von der nordirischen Sinn Féin den Aufruf zum Ende der Gewalt unterzeichneten.

Wie es weitergeht, hängt von den Verhandlungen ab, die die Eta nun mit der spanischen und französischen Regierung "ausschließlich zu den Folgen des Konflikts" führen will. Ein entscheidender Punkt hierbei ist das Strafmaß und die Bedingungen für Häftlinge, die der Eta angehören, denn sie sind härter als bei normalen Kriminellen. Sowohl die spanische Zentralregierung als auch das baskische Kabinett haben aber schon betont, von ihrer Seite seien in dieser Sache keine Zugeständnisse zu erwarten.

Dass die Eta nicht weiter morden will, ist ein wichtiger erster Schritt. Aber es ist auch nur ein erster Schritt. Denn nach einem halben Jahrhundert des Terrors wird der Heilungsprozess im Baskenland lang und schwierig. Auch wenn jetzt in Spanien erst einmal gefeiert wird.